Sicherungsverwahrung: Die Suche nach einer legalen Bestrafung
Bundesjustizministerin fordert eigenständige Einrichtungen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Sicherungsverwahrung gekippt - doch wohin mit notorisch rückfälligen und weiterhin gefährlichen Straftätern? Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP) schlägt neue Betreuungseinrichtungen der Bundesländer vor.
Für Straftäter, die nicht nachträglich in Sicherungsverwahrung genommen werden könnten, müssten eigenständige Einrichtungen geschaffen werden, komplett getrennt vom Vollzug, sagte Leutheusser-Schnarrenberger im ZDF. Diese Einrichtungen müssten anders ausgestattet sein als der Strafvollzug und Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten bieten. Dies alles sei mit großem Aufwand verbunden. Sie warnte davor, die Rechte von Opfern und Tätern gegeneinander auszuspielen.
Reform der Sicherungsverwahrung tut Not
Sie wurde von der Bundesregierung im Oktober 2009 angeschoben. Mit-Auslöser der Diskussion ist aber auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009. Darin wird die deutsche Regelung zur sogenannten primären Sicherungsverwahrung als menschenrechtswidrig eingestuft. Das Bundesjustizministerium erklärt das so:
"Bis zum 30. Januar 1998 galt für die erstmalig angeordnete (primäre) Sicherungsverwahrung eine Höchstfrist von 10 Jahren. 1998 hat der Bundesgesetzgeber diese Höchstfrist aufgehoben mit der Folge, dass seit dem 31. Januar 1998 Sicherungsverwahrung unter bestimmten Voraussetzungen über 10 Jahre hinaus vollstreckt werden konnte. Der Gerichtshof hat es in seinem Urteil vom 17. Dezember 2009 als Verstoß gegen die Menschenrechte gewertet, dass die neue Rechtslage rückwirkend, also auch auf Straftäter angewendet wurde, die ihre Tat vor Inkrafttreten der Neuregelung begangen hatten. Ein Straftäter, der sich beispielsweise seit 1991 wegen einer davor begangenen Tat in Sicherungsverwahrung befand, hätte also spätestens 2001 entlassen werden müssen. Nicht beanstandet hat der EGMR die Aufhebung der Höchstfrist für Neufälle, also für diejenigen, die ihre Tat nach dem 30. Januar 1998 begangen haben."
80 Straftäter müssen möglicherweise entlassen werden
Resultat dieses EU-Urteils ist, dass - nach einer Abfrage des Bundesjustizministeriums - die Bundesländer bis zu 80 Straftäter, die unter dieses Urteil fallen, entlassen müssen. Hinzu kommt nun das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste Gericht hat die Sicherungsverwahrung gekippt (AP)Das Verfassungsgericht ordnete aber eine Übergangsregelung an. So dürfen hochgefährliche Straftäter unter engen Voraussetzungen zunächst in Sicherungsverwahrung bleiben, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Der Gesetzgeber müsse bis 31. Mai 2013 neue Regelungen schaffen. Bis dahin bleiben die Vorschriften dem Gericht zufolge weiter mit Einschränkungen anwendbar.
Der Urteilsspruch hat damit nicht zur Folge, dass alle sicherungsverwahrten Schwerkriminellen sofort freigelassen werden müssen. Das Gericht hatte über die Klage von vier Mehrfachtätern verhandelt.
Die Karlsruher Richter hätten akzeptiert, dass hochgefährliche Straftäter auch in Zukunft hinter Gittern gehalten werden könnten. Das ist für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die entscheidende Botschaft aus dem Urteil zur Sicherungsverwahrung. Entsprechende Gesetze auf Bundesebene müssten dies nun umsetzen, sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk.
Im Deutschlandradio Kultur lobte Strafverteidiger Professor Bernd Behnke das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Damit werde "Ordnung in das gesetzliche Durcheinander aus den letzten zwölf Jahren" gebracht.
Links zum Thema:
Kommentar: Klares Urteil mit viel Augenmaß (DLF)
ARD-Tagesthemen: Interview mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beginnt ab circa 4 Minuten)
Bundesjustizministerium: Fragen und Antworten zur Sicherungsverwahrung