Deutschlandradio-Hörfunkrat zu Gast beim ZDFAustausch über Perspektiven von öffentlich-rechtlichem Qualitätsjournalismus

Der Hörfunkrat von Deutschlandradio tagte am 4. September in seiner dritten Sitzung im Jahr 2025 beim ZDF. Am Hauptsitz in Mainz tauschte sich das Gremium mit Verantwortlichen des Senders aus. Zu Beginn begrüßte die Hörfunkratsvorsitzende Katrin Hatzinger ZDF-Verwaltungsdirektorin Karin Brieden, die aktuell auch Vorsitzende des Deutschlandradio-Verwaltungsrats ist. Dabei hoben beide die „gute und sich intensivierende“ Zusammenarbeit der beiden Aufsichtsgremien hervor. Die enge Abstimmung, die sich unter anderem in der Entsendung von zwei Fachleuten in den Verwaltungsrat durch den Hörfunkrat spiegele, ermögliche eine kollegiale und zugleich effiziente Aufsichtsarbeit. Dies sei essentiell angesichts des Aufgabenzuwachses der Gremien, den die Medienpolitik vorgibt.
Im Gespräch mit Gerda Hasselfeldt, der Vorsitzenden des ZDF-Fernsehrats, tauschten sich die Gremienmitglieder zur aktuellen medienpolitischen Situation, möglichen Auswirkungen des Medien-Reformstaatsvertrags der Länder und zu Best-Practice-Beispielen in der Aufsichtsarbeit aus. Einen Schwerpunkt bildeten die künftigen Aufgaben des von den Bundesländern vorgesehenen neuen Medienrats. Dieser soll als unabhängiges Gremium aus sechs Sachverständigen die Gesamtentwicklung und die Auftragserfüllung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten evaluieren und strategische Impulse setzen. Wie dies gelingen könne, sei noch recht offen, erklärte Hasselfeldt. Die beiden Vorsitzenden zeigten sich erfreut darüber, dass die Aufsichtsgremien von ARD, ZDF und Deutschlandradio bei der Ausgestaltung des Vorschlags zum Medienrat an einem Strang ziehen würden. Dies sei, so Katrin Hatzinger, auch bei einem ersten Austausch mit Staatsekretärin Heike Raab, die für Rheinland-Pfalz die Arbeit der Rundfunkkommission der Länderkoordiniert, und dem Vorsitzenden der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz, Dr. Klaus Sondergeld, deutlich geworden. In absehbarer Zeit sollten demnach gemeinsam Grundzüge des neuen Gremiums erarbeitet werden. Welche weiteren Änderungen der Reformstaatsvertrag für die Deutschlandradio-Gremien bereit hält, erörterte der Hörfunkrat mit Deutschlandradio-Justitiar Dr. Markus Höppener.
Auf Einladung des Deutschlandradio-Hörfunkrats sprach ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten in Mainz über die Anforderungen an öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalismus unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen. Der Gestaltungsspielraum werde geringer, doch die Qualitätsansprüche blieben gleich hoch, so Schausten. Dialog mit den Zuschauern sei wichtiger denn je, aber genau diese Prämisse binde auch viel Personal. Dennoch sei die Situation für seriösen Journalismus im internationalen Vergleich hierzulande noch recht gut. Es gehe heute mehr denn je darum, sich einerseits selbstkritisch zu hinterfragen und andererseits eigene Qualitäten selbstbewusst zu vertreten. Konkret regte Schausten eine verstärkte Kooperation von ZDF und Deutschlandradio an. „Der Deutschlandfunk macht einen exzellenten Job“, erklärte die ZDF-Chefredakteurin: „Wir haben uns technisch ausgestattet und können Deutschlandradio-Audiofiles auf der ZDF-heute-Plattform ausspielen. Hier können wir uns durchaus weitere Schritte wie eine kontinuierliche Einbindung vorstellen, die für beide Seiten lohnenswert wäre.“
Eingehend befasste sich der Hörfunkrat mit dem Analyseraster, das ein Forscherinnenteam der beauftragten Hochschule Magdeburg-Stendal für die Angebotskontrolle der Deutschlandradio-Angebote anwenden wird. Der Schwerpunkt der Analyse wird nach dem Willen des Aufsichtsgremiums auf den diskursorientierten Audioangeboten rund um die Bundestagswahl 2025 liegen. Der Auftrag folgt den Vorgaben eines durch den Hörfunkrat entwickelten Qualitätssicherungsleitfadens. Das Forschungslehrprojekt von Prof. Dr. Claudia Nothelle und Prof. Dr. Elke Grittmann konzentriert sich dabei auf die Formate „Kontrovers“, „Wortwechsel“, „Zur Diskussion“ und den Wahl-Podcast. Für den Zeitraum von November 2024 bis Februar 2025 werden diese nach den Kriterien Ausgewogenheit und Vielfalt, freie Meinungsbildung, Publikumsdialog sowie den Standards des „Journalistischen Selbstverständnisses“ von Deutschlandradio bewertet.
Welche Rolle Publikumsdialog heute für Deutschlandradio spielt, erläuterte unter anderem Dr. Eva-Sabine Kuntz. Die Leiterin der Hauptabteilung Intendanz verwies dabei nicht nur auf das Publikumsprojekt „Denkfabrik“, an dem sich in den vergangenen Jahren beeindruckend viele Menschen beteiligt hätten, unter anderem durch die Wahl eines Jahresthemas für die Deutschlandradio-Programme. Deutlich stärker als bisher öffne sich Deutschlandradio nicht nur in Sendungen, sondern auch mit Veranstaltungen, Live-Podcasts und partizipativen Formaten für Impulse aus dem Publikum. Mit 470 Veranstaltungsformaten sei Deutschlandradio mittlerweile im ganzen Land präsent. Intern werde evaluiert, welche Angebote besonders zukunftsweisend seien. Die stellvertretende Hörfunkratsvorsitzende Prof. Dr. Annette Leßmöllmann unterstützt diese Entwicklung: „Analog, digital oder vor Ort, hier entstehen nicht nur Orte zur Information, sondern neue digitale, hör- und erlebbare Räume für ernsthafte Debatten auf Augenhöhe, die auch in das Programm zurückwirken.“
Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue berichtete dem Aufsichtsgremium von den letzten Hürden bei der laufenden Ratifizierung des 7. Medienänderungsstaatsvertrags. Der Reformstaatsvertrag enthält weitreichende Neuerungen bei Beauftragung, Struktur und Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deutschlandradio unterstütze die Pläne der Länder, auch wenn beispielsweise das Verbot der „Presseähnlichkeit“ der öffentlich-rechtlichen Sender mittlerweile auch in den meisten Bundesländern als wenig zukunftsweisend erachtet werde.
Raue informierte darüber hinaus über die Vorbereitungen einer Allianz für Medienkompetenz von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die neue Allianz soll Kompetenzen bündeln und mit konkreten Projekten das öffentlich-rechtliche Profil im Bereich Medienkompetenz schärfen. Der Reformstaatsvertrag, der zum 1. Dezember in Kraft treten soll, verpflichtet die Sender dazu, „die technische und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen und von Minderheiten“ zu stärken.
Aus dem Programmausschuss berichtete Prof. Dr. Franz Riemer über die zurückliegenden Ausschusstermine. In Mainz standen unter anderem die Arbeit der Landeskorrespondentin Anke Petermann und Programmaktivitäten wie die Deutschlandradio-Sommertour im Blickpunkt. Mit insgesamt fünf Programmbeschwerden setzten sich die Mitglieder auseinander, dabei konnte der Ausschuss allerdings keine Verletzung der Programmgrundsätze erkennen. Insgesamt sei zuletzt die Zahl der eingereichten Beschwerden und der damit verbundene Prüfbedarf deutlich gestiegen. Prof. Dr. Franz Riemer informierte darüber hinaus über den im Jahr 2024 gestarteten Reformprozess für den Deutschlandfunk. Über die Gründe und Ziele möglicher Programmänderungen hatte sich der Ausschuss zuvor ausführlich mit Programmverantwortlichen ausgetauscht.
Über den Deutschlandradio-Hörfunkrat:
Der Hörfunkrat hat aktuell 45 Mitglieder. Er setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen, der Länder und des Bundes zusammen. Als Aufsichtsgremium stellt er die Richtlinien für die Sendungen von Deutschlandradio auf, überwacht deren Einhaltung gemäß der im Staatsvertrag aufgeführten Grundsätze und berät den Intendanten in Programmfragen. Er tritt mindestens alle drei Monate zu einer ordentlichen Sitzung zusammen. Seine Amtszeit beträgt – analog zum Verwaltungsrat – fünf Jahre. Die nächste Sitzung des Hörfunkrats findet am 4. Dezember 2025 in Berlin statt.