Gastbeitrag von Claudia ThomsVerständliche Sprache

2024 rücken die Deutschlandfunk-Nachrichten das Thema Verständlichkeit in den Fokus. Eine gute Nachricht! Denn eine Sprache, die möglichst viele Menschen verstehen, ist im demokratischen Diskurs unerlässlich. Warum ist das so und weshalb lohnt es sich, so zu schreiben, dass man auch verstanden wird?

Portrait einer jungen Frau mit halblangem Haar und Brille
Claudia Thoms (Universität Hohenheim)
DR. CLAUDIA THOMS ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim. Die Sprache und die Verständlichkeit verschiedener Akteure in Wirtschaft und Politik sowie die Auswirkungen unterschiedlich verständlicher Kommunikation bilden die Schwerpunkte ihrer Forschung.

Vielleicht kennen Sie „Die Stadt der Träumenden Bücher“ von Walter Moers. Darin trifft die Hauptfigur auf das sogenannte „Schwere Buch“. Ein tatsächlich schwer zu (er-)tragendes Werk, das seinem Namen nicht nur gewichtstechnisch, sondern auch sprachlich und inhaltlich alle Ehre macht. Es sträube sich eben gegen jeden Gebrauch, wird dann erklärt. Und es sei auch gar nicht dafür geschrieben worden, um verstanden zu werden. Aus Sicht der Hauptfigur eine ziemlich arrogante Einstellung der Autoren des Werkes.
Tatsächlich dürften seltener Arroganz und häufiger verhältnismäßig banale Gründe dafür verantwortlich sein, dass mancher Text vor schwer zu entziffernden Schachtelsätzen und Fachausdrücken strotzt. Experten fällt es manchmal schwer, ihr Expertenwissen für „Normalsterbliche“ zu übersetzen. Im Rechtskontext lassen sich gewisse Formulierungen nicht vermeiden. Oft dürfte schlicht die Zeit für die Optimierung der sprachlichen Klarheit fehlen. Alles nachvollziehbare Gründe, oder? Und trotzdem besteht bei unnötig komplizierten Formulierungen die Gefahr, dass sie einfach als böse Absicht wahrgenommen werden: dass da jemand großkotzig seine Überlegenheit zeigen möchte. Dass jemand, der so spricht oder schreibt, vielleicht sogar etwas verheimlichen will.
Stellen wir uns das im politischen Kontext vor. In Zeiten von Populismus und Fake News. In Zeiten, in denen vermeintlich einfache Lösungen für eigentlich komplexe Probleme in einer leicht zugänglichen Sprache vermittelt werden. Diese Sprache kann in diesem Kontext leider zur Attraktivität solcher Aussagen beitragen. Es wäre daher umso wichtiger, Aussagen, die der notwendigen Komplexität der Sache gerecht werden, verständlich zu formulieren. Verständlichkeit ist sicher nicht das Allheilmittel für die aktuellen Herausforderungen in unserer Gesellschaft, aber sie ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Zusammenhänge, auch komplexe, nachvollzogen werden können. Dass das Gelesene mit dem eigenen Wissen in Einklang gebracht werden kann. Dass es nicht zu viel Mühe oder Zeit kostet, einen Text so zu durchdringen, dass man ihn in eigenen Worten wiedergeben kann. Kurz: dass man Informationen und Argumente verstehen kann. Erst dann können sie im politischen Diskurs und im Alltag im eigenen Handeln und bei den eigenen Entscheidungen berücksichtigt werden.
Zugegeben: Das alles ist nicht einfach. Verständlichkeit kann schwierig sein. Denn das Publikum bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit. Ein Text kann für den einen sehr einfach und für den Nächsten eine kaum zu überwindende Hürde sein. Wissenschaft, Politik, Medien und Verwaltungen können in ihrer Kommunikation mit den Bürgern aber dazu beitragen, dass diese Hürde nicht zu groß ist. Und es gibt sie, die Positivbeispiele. Politiker aller Parteien im Deutschen Bundestag können sich so ausdrücken, dass man ihre Aussagen (potenziell) gut verstehen kann. Das haben wir an der Universität Hohenheim auf Initiative des Deutschlandfunks hin untersucht. Die Öffentlich-Rechtlichen und damit auch der Deutschlandfunk machen ihre Nachrichten in einfacheren Varianten auch für solche Publikumsgruppen zugänglich, die anderenfalls Verständnisprobleme hätten. Das sind wichtige Beiträge für eine informierte Gesellschaft.
„Man sollte schreiben, um gelesen zu werden“, sagt Walter Moers‘ Hauptfigur mit Blick auf das „Schwere Buch“. Und genau so ist es. Man könnte auch sagen: Man sollte schreiben, um verstanden zu werden. Alles andere ist eine Verschwendung von Zeit und Mühe für alle, die einen Text produzieren, und alle, die ihn später lesen bzw. hören (müssen).
Mehr Informationen zur der im Auftrag des Deutschlandfunks durchgeführten Studie der Universität Hohenheim:
Licht und Schatten - Verständlichkeit in Bundestagsdebatten

Die gesamte Untersuchung der Universität Hohenheim ist hier abrufbar: https://komm.uni-hohenheim.de/aktuelle-infos

Aus dem Magazin, Ausgabe April 2024