Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, will die Erinnerung an den Volksaufstand vor 70 Jahren stärker ins Bewusstsein bringen. Der Tag sei zwar im Westen früher Feiertag gewesen, aber im Osten hätte es wenig Erinnerung daran gegeben, bis heute: „Das hängt auch damit zusammen, dass die Arbeiter arbeiten und ihre Geschichten nicht erzählt haben, wie es notwendig wäre.“
Der 17. Juni ist jedoch einer der „stolzesten Momente der deutschen Geschichte“ ergänzt er.
Der 17. Juni ist jedoch einer der „stolzesten Momente der deutschen Geschichte“ ergänzt er.
Demokratiekrise im Osten hat viele Gründe – der Streit in der Ampel-Regierung ist nicht der entscheidende
Für Carsten Schneider sind die vielen offen ausgetragenen Konflikte in der Bundesregierung nicht entscheidend für die Abwendung vieler Ostdeutscher von der Politik. Es gäbe tiefer liegende Gründe. Dazu zählt er auch fehlende Teilhabe von Ostdeutschen in Spitzen-Jobs von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Der SPD-Politiker aus Thüringen sieht bei Ostdeutschen „eine gefühlte Fremdbestimmung.“ Das zeige sich beispielweise auch im geringeren Lohnniveau und dem aus seiner Sicht zu geringen Selbstbewusstsein, Arbeitskämpfe zu führen.
Carsten Schneider: die Stärke der AFD eine Gefahr für die Wirtschaft im Osten
Der Ost-Beauftragte und Thüringer SPD-Bundestagsabgeordnete sieht die AfD „als größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Es müsse klar sein, dass der Osten Fachkräfte aus dem Ausland braucht: „Ich kämpfe darum, dass das jedem bewusst wird.“
Die Rechts-Außen-Partei sei jedoch bereits 2018 so stark gewesen wie jetzt, dies sei kein neues Phänomen. Auch bei den im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen im Osten werden sie nicht stärkste Partei, denn „niemand traut der AfD zu, Probleme zu lösen“. Schneider setzt auf die „Rationalität der Wähler“. Es gehe darum, jene Wähler zu stärken, die die AfD nicht wählen - das seien immerhin Drei Viertel der zur Wahl gehenden.
In den ostdeutschen Landtagen müssten alle Parteien jenseits der AfD miteinander koalitionsfähig sein.
Carsten Schneider begrüßt europäischen Asyl-Kompromiss
Das Signal, das davon ausgehe, sei: „die Europäische Union funktioniert.“ Alles andere hätte jenen Vorschub geleistet, die die EU verlassen wollten, um nationalstaatliche Lösungen zu finden. Es brauche darüber hinaus sichere Außengrenzen der EU.
Der Kohleausstieg 2038 kann im Osten nicht vorgezogen werden
Der Osten sei bereits Vorreiter bei erneuerbaren Energien, „im Gegensatz zu Bayern und Baden-Württemberg. Bei uns stehen die Windräder.“ Dennoch sei ein früherer Kohleausstieg nicht möglich, denn es brauche eine Grundlast die ohne Kohle zurzeit nicht realisierbar sei. Die wirtschaftliche Zukunft Ostdeutschland liege jedoch vor allem im Hochtechnologie-Bereich, gerade im Bereich der Halbleiter, wo es bereits erste große Investitionen gebe.
Das Interview führte Vladimir Balzer, Korrespondent im DLF-Hauptstadtstudio
Der Deutschlandfunk sendet das Interview am kommenden Sonntag, 11.06.2023 um 11.05 Uhr.
Im Anschluss ist das Interview der Woche auf der Website nachzulesen.
Im Anschluss ist das Interview der Woche auf der Website nachzulesen.