Deutsches Symphonie-Orchester BerlinKein Konzert ohne Komponistin

Das Saisonmotto des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin

Portrait der finnischen Gegenwartskomponistin Lotta Wennäkoski
Die finnische Gegenwartskomponistin Lotta Wennäkoski (Maarit Kytöharju)
Die Statistik wirkt ernüchternd und widerspricht vielleicht der subjektiven Wahrnehmung – Musik von Komponistinnen gibt es immer noch viel zu selten in den Konzertsälen unseres Landes. Diesen Mangel will das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin (DSO) in der laufenden Saison beheben. Eine quasi feministische Repertoirepolitik hat das Ensemble ausgerufen, das über die Rundfunk-Orchester und -Chöre gGmbH dem Deutschlandradio besonders eng verbunden ist. In unseren Sendungen spiegeln wir regelmäßig die Inhalte der Konzerte unter dem Motto „Kein Konzert ohne Komponistin“.
Im Bereich der Neuen Musik ist es inzwischen selbstverständlich, dass Komponistinnen genauso oft vernehmbar sind wie ihre männlichen Kollegen. Die beiden Konzerte des DSO bei Ultraschall Berlin, dem Festival für neue Musik, haben das gerade bewiesen. Da stand das Verhältnis sogar zwei zu eins. Doch geht es musikgeschichtlich weiter zurück, dann muss man die Namen der Tonsetzerinnen immer stärker mit der Lupe suchen, je mehr wir uns Romantik, Klassik und Barock nähern. Insofern ist es logisch, dass Hildegard von Bingen in einem Konzert mit Kent Nagano vertreten ist. Denn mit ihr wie mit ihren minnesingenden Kollegen begann die europäische Musikgeschichte. Sie dürfte bis heute die einzige heiliggesprochene Komponistin sein, während ihre männlichen Nachfolger wie Bach, Mozart oder Beethoven nur bei ihren Verehrern den Rang von Heiligen oder sogar Gottheiten genießen.
Nun will das DSO Berlin die weiblichen Musik-Genies würdigen. Oder rücken wir die männlichen Geister in ein normaleres, menschlicheres Licht, wenn wir die großen Qualitäten ihrer komponierenden Zeitgenossinnen zeigen? Clara Schumann und Fanny Hensel waren familiär verbunden mit den Romantikern Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy und mussten ihre eigenen Ambitionen zurückstellen. In den Programmen des DSO erscheinen sie als gleichberechtigte Künstlerinnen.
Chefdirigent Robin Ticciati hat mit seinem großartigen Opernprojekt in der vergangenen Saison den Startschuss zur feministischen Programmgestaltung gegeben – eine beeindruckende Wiederentdeckung war „The Wreckers“ von Ethel Smyth, einer Grande Dame der europäischen Musikemanzipation und des Strebens nach politischer Gleichberechtigung. Die Ouvertüre zu dieser aufwühlenden Oper erscheint als Wiedervorlage im Konzert am 24. Februar unter Ticciatis Leitung. Ein weiterer Ausschnitt aus dieser Oper erklingt vier Tage später im „Debüt im Deutschlandfunk Kultur“ in der Philharmonie Berlin.
Noch besser ist es, wenn auch vorn auf dem Dirigierpodest eine Frau steht oder das Solokonzert im Programm einer Musikerin die Chance zum Glänzen gibt. Nicht selten kommt vieles oder alles zusammen – und wer das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin betrachtet, merkt, dass Frauen in einigen Registern schon in der Mehrheit sind.
Drei sehr unterschiedliche Klangwelten eröffnet das Konzert unter Leitung der jungen deutschen Dirigentin Ruth Reinhardt am 3. Februar. Die fantasievolle und klangsensible Sprache der finnischen Gegenwartskomponistin Lotta Wennäkoski trifft auf das schillernde Klavierkonzert des USamerikanischen DJs und Komponisten Mason Bates und die herzerwärmende Romantik des tschechischen Meisters Antonín Dvořák in dessen fünfter Sinfonie.
Auch im Aufnahmeprojekt des DSO Berlin mit dem Dirigenten Howard Griffiths zum 100. Gründungsjubiläum der Türkischen Republik spielten Werke von Komponistinnen eine wesentliche Rolle. Julia Kaiser wird am 21. Februar in den „Spielweisen“ diese größtenteils unbekannte Musik dreier Generationen vorstellen.
Überhaupt sieht das DSO Berlin gemeinsam mit den Programmen von Deutschlandradio seine Aufgabe darin, unbekannt gebliebene gute Musik aufzuführen und dem Vergessen zu entreißen. Denn die Mechanismen der Musikgeschichte waren häufig ungerecht, vor allem wenn es um Werke von Komponistinnen geht.
SENDEHINWEISE

So., 4.2., 20.03 Uhr
Konzert
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 3.2.2024
Daniil Trifonov, Klavier Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Ruth Reinhardt

Mi., 21.2., 22.05 Uhr
Spielweisen/Heimspiel

100 Jahre Türkei – Das DSO erkundet türkische Orchestermusik

So., 3.3., 20.03 Uhr
Konzert
Debüt im Deutschlandfunk Kultur
Aufzeichnung vom 28.2.2024
Philharmonie Berlin
Mario Bruno, Flöte
Vanessa Porter, Perkussion
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Adam Hickox

Fr., 22.3., 20.03 Uhr
Konzert

Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 24.2.2024
Benjamin Grosvenor, Klavier
Herren des Rundfunkchores Berlin
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Robin Ticciati

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