Wie der Sahel gegen die Klimakrise kämpftDie grüne Mauer oder das Prinzip Trotzdem

Bettina Rühl ist für diese Feature-Reihe – gefördert durch die Film- und Medienstiftung NRW – in fünf Länder des Sahel gereist, von West nach Ost, in den Senegal, nach Burkina Faso, nach Nigeria, in den Tschad und nach Äthiopien.

Mega-Baumpflanzaktion: Setzlinge des Baobab, auch als Affenbrotbaum bekannt, für die „Große Grüne Mauer“, die sich quer durch den Kontinent ziehen soll
Mega-Baumpflanzaktion: Setzlinge des Baobab, auch als Affenbrotbaum bekannt, für die „Große Grüne Mauer“, die sich quer durch den Kontinent ziehen soll (Bettina Rühl)
Die Afrikanische Union, der wichtigste regionale Zusammenschluss von afrikanischen Staaten, hat 2007 ein geradezu utopisches Megaprojekt auf den Weg gebracht: die Anpflanzung einer „Großen Grünen Mauer“ quer durch den Kontinent. Vom Senegal im Westen bis Dschibuti im Osten, also durch elf Länder der Sahara oder der Sahelzone. Abdoulaye Wade, damals Präsident des Senegal, war von dem Projekt von Anfang an zutiefst überzeugt. Er erklärte 2007: „Die Wüste ist wie eine Krebserkrankung, die sich im Körper ausbreitet. Wir müssen gegen sie kämpfen. Deshalb schließen wir uns diesem Projekt an.“
Die „Große Grüne Mauer“ soll bis 2030 eine Fläche von 100 Millionen Hektar bedecken und wäre bei dieser Größe sogar aus dem All sichtbar – die größte lebende Struktur auf dem Planeten. Die Afrikanische Union, unterstützt von den Vereinten Nationen und vielen weiteren Geldgebern, will dadurch sicherstellen, dass die Menschen in den trockenen Gebieten Afrikas, die 55 bis 60 Prozent des gesamten Kontinents ausmachen, in ihrer natürlichen Umgebung bleiben und sich dort weiterentwickeln können.
Die Vision: Durch den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit die Ernten zu verbessern und die Ernährung von mehreren Millionen Menschen zu sichern, die zu einem großen Teil zu den ärmsten der Welt gehören. Außerdem: 100 Millionen Jobs im ländlichen Raum zu schaffen. Das soll, so die Idee, vor allem jungen Menschen eine Alternative bieten zur Migration nach Europa.
Der Klimawandel stand am Anfang nicht im Fokus der geplanten Mega-Baumpflanzaktion. Aber längst sind die Folgen der Klimakrise in Afrika nicht mehr zu übersehen: Klimaextreme werden häufiger, in schneller Folge vernichten Dürren und Überschwemmungen die Ernten, löschen ganze Viehherden aus. Stirbt im Sahel das Vieh, hat auch der Mensch kaum eine Überlebenschance.
Journalistin Bettina Rühl, hier auf einer Kutsche auf der Insel Lodji im Senegal, im Gespräch mit Fatou Ndoye, Soziologin und Leiterin der NGO Enda Graf Sahel.
Journalistin Bettina Rühl, hier auf der Insel Lodji im Senegal, im Gespräch mit Fatou Ndoye, Soziologin und Leiterin der NGO Enda Graf Sahel (Bettina Rühl)
Aus einem weiteren Grund sind die Folgen der Klimakrise bereits heute jedes Jahr für Tausende Menschen tödlich: Weil Wasser, Acker- und Weideland immer knapper werden – Letzteres liegt allerdings auch am starken Bevölkerungswachstum –, nimmt die Zahl bewaffneter Konflikte im Sahel-Raum zu. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Projekt der „Großen Grünen Mauer“ noch mehr an Bedeutung als bei seinem Start 2007.
Der Sahel ist die „Front“ der Klimakrise. Umso dramatischer ist, dass 80 Prozent der Bevölkerung dort für ihr Überleben auf natürliche Ressourcen angewiesen sind. Also auf den Ertrag ihrer Felder oder auf ihr Vieh.
16 Jahre nach Beginn des Projekts der „Großen Grünen Mauer“ lässt sich keine Erfolgsgeschichte erzählen: Milliarden wurden investiert, die Ergebnisse sind enttäuschend. Nur 15 bis 18 Prozent des Projektes wurden realisiert. Die Überlebensrate der Setzlinge liegt manchmal nur bei etwa 40 Prozent. Denn Aufforstung bedeutet nicht nur, Setzlinge in die Erde zu bringen, sondern sich nachher auch um sie zu kümmern. In einer Region, die mehr und mehr von bewaffneten Konflikten geprägt ist, wird das allerdings immer schwieriger. In Nigeria zum Beispiel sind viele Gegenden, die für die Anpflanzungen vorgesehen waren, aus Sicherheitsgründen nicht mehr zugänglich.
Bettina Rühl ist für diese Feature-Reihe – gefördert durch die Film- und Medienstiftung NRW – in fünf Länder des Sahel gereist, von West nach Ost, in den Senegal, nach Burkina Faso, nach Nigeria, in den Tschad und nach Äthiopien. Die grüne Mauer war dabei nur der Ausgangspunkt der Recherche. Politische Stabilität, das Zurückdrängen des Terrorismus, Bildung und nachhaltige Landwirtschaft, alles spielt zusammen, wenn es darum geht, ob die Lebensgrundlagen in diesen Ländern erhalten bleiben.
SENDEHINWEISE

Das Feature
Die grüne Mauer – Wie der Sahel gegen die Klimakrise kämpft (Teil 1–5)

Di., 4.6., 19.15 Uhr
Senegal: Waldarbeit ist Sozialarbeit

Di., 11.6., 19.15 Uhr
Burkina Faso: Vom Mut, nicht aufzugeben

Di., 18.6., 19.15 Uhr
Nigeria: Klimakrise, Konflikte und Wege zum Frieden

Di., 25.6., 19.15 Uhr
Tschad: Die Träume der Förster

Di., 2.7., 19.15 Uhr
Äthiopien: Von Wasserlöchern und Hochhäusern

Ebenfalls zu hören im Podcast „Dlf Doku Serien“ in der Dlf Audiothek und auf hoerspielundfeature.de